Vor einiger Zeit hat der Deutschen Zweig der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem (ICEJ) ein neues Gebäude für unser Heim für Holocaustüberlebende in Haifa gekauft. Doch die Genehmigung und der Einbau eines Aufzugs ließen auf sich warten. Wer hätte gedacht, dass die Verzögerung bedeutet, dass hier nun ukrainische Holocaustüberlebende ein neues Zuhause finden? Inzwischen sind zehn Überlebende, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflohen sind, im Haifa-Heim eingetroffen. Bis das neue Gebäude komplett bezugsfertig ist, sind sie in anderen Wohnungen im Heim untergebracht. Diese älteren Menschen mussten ihr ganzes Leben zurücklassen. Aber ihre Erinnerungen begleiten sie.
Alleingelassen
Shelia (85), war ein junges Mädchen, als sie 1941 die deutsche Belagerung Leningrads überlebte. Nach dem Krieg ging sie nach Charkiw in der Ukraine, wo sie heiratete. Obwohl sie mit ihrem Mann oft darüber sprach, nach Israel einzuwandern, wollte er nicht und so blieben sie. 2010 starb Shelias Ehemann und zwei Jahre später auch ihre einzige Tochter im Alter von 32 Jahren. Shelia blieb allein zurück. Als die russischen Truppen diesen Winter ihre Stadt beschossen, war Shelia sicher: Das ist das Ende.
Unerwartete Wendung
Doch es geschah ein Wunder. Ihre einzige nähere Verwandte bat unsere israelische Partnerorganisation „Helfende Hände“ um Hilfe, um Shelia vor dem ständigen Bombardement Charkiws zu retten. Innerhalb von zwei Tagen musste Shelia einen kleinen Koffer packen und sich von allem, was sie kannte, verabschieden. Shelia zog direkt ins Haifa-Heim. Wenige Tage später entzündete sie am Jom HaSchoa, dem israelischen Holocaustgedenktag, bei der Gedenkzeremonie im Haifa-Heim die Gedenkflamme. „Am schwierigsten ist es, dass ich nicht mit den Menschen sprechen kann, da ich noch kein Hebräisch spreche“, sagte Shelia unter Tränen. In ihrem Alter ist ein Neuanfang besonders schwer.
Freundlicher Besuch
Helena Vertnik, die in der Buchhaltung der ICEJ-Deutschland arbeitet, traf Shelia im Haifa-Heim. „Körperlich geht es Shelia besser, in Charkiw hatte sie kein Wasser und nichts zu essen. Aber seelisch ist sie noch nicht hier angekommen“, sagte Helena bewegt, nachdem sie der kleinen Dame mitfühlend zugehört hatte. „Ganz allein in einem neuen Land zu sein fällt Shelia schwer. Sie hat noch keinen Anschluss an die russischsprachigen Bewohner gefunden. Aber im neuen Haus wird es Wohnungen für Überlebende aus der Ukraine geben, dann können sie dort miteinander wohnen.“