Leben im Kriegszustand

Haifa stand in den letzten Monaten immer wieder unter Raketenbeschuss – und damit auch unser Heim für Holocaustüberlebende. Das Team der ICEJ bemühte sich, den Heimbewohnern über diese schwere Zeit hinwegzuhelfen.

ALTE NARBEN Während die Kämpfe im Norden Israels in den letzten Monaten eskalierten, versorgte das ICEJ-Team im Heim für Holocaustüberlebende in Haifa weiter die Bewohner, von denen viele tiefe Narben aus früheren Kriegen tragen. Alle Team-Mitglieder blieben bei den Senioren und verzichteten darauf, sich weiter im Süden Israels in Sicherheit zu bringen oder in ihre Heimatländer zurückzukehren.

Ehe ein brüchiger Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah in Kraft trat, besuchten mehrere ICEJ-Mitarbeiter aus Jerusalem unsere tapferen Kollegen in Haifa, um zu erfahren, wie die Holocaustüberlebenden mit der angespannten Situation umgehen, wie unsere christlichen Freiwilligen sie unterstützen und was wir tun können, um die Lage für alle zu verbessern. In der Nacht vor unserem Besuch heulten in Haifa erneut die Sirenen und Tausende eilten erneut in ihre Luftschutzräume.

RAKETEN-EINSCHLÄGE Die libanesische Hisbollah feuerte im vergangenen Jahr mehr als 16 000 Raketen und bewaffnete Drohnen auf den Norden Israels ab, von denen viel direkt auf Haifa abzielten. Dieser Beschuss hat sich im vergangenen Herbst intensiviert. Fast täglich (!) schlugen Raketen in oder in der Nähe der großen Hafenstadt ein. Raketensplitter landeten neben einem unserer Gebäude, was die ständige Angst unserer Heimbewohner noch vergrößerte.

Bei den Holocaustüberlebenden weckten die häufigen Sirenen böse Erinnerungen an ihre traumatische Vergangenheit. „Ich musste gestern Abend nach den Sirenen Medikamente nehmen, um mich zu beruhigen“, erzählte Renate, die ursprünglich aus Deutschland stammt. Renate erlebte den Holocaust als Kind und verarbeitete ihre schmerzhaften Kindheitserinnerungen in mehreren Gedichtbänden. Aktuelle Studie zeigen, dass 50 Prozent der Holocaustüberlebenden auch im hohen Alter noch unter den Trauma-Folgen leiden.

In Haifa gibt es in vielen älteren Gebäuden keine Luftschutzbunker. Die ICEJ hat jedoch proaktive Schritte unternommen, um den Schutz der Heimbewohner zu gewährleisten. Wir haben einen großen Schutzraum direkt neben dem Speisesaal eingerichtet, außerdem einen Schutzraum im neusten Wohngebäude. Die ICEJ hat für das Heim einen eigenen Krankenwagen finanziert.

ÜBER 50 HEIMBEWOHNER Im neuesten Gebäude des Heim-Komplexes leben acht Bewohner sowie zwei pflegende Angehörige. Eine der Bewohnerinnen, Natalya, kam vor zwei Jahren ohne Familie oder Freunde aus der Ukraine hierher. "Ohne euch hätte ich es nicht geschafft", versichert sie unserem Team. „Ihr seid wie eine große Umarmung. Wir haben in unserem Leben zu viel Angst erlebt, aber hier können wir uns ausruhen.“

Das Heim für Holocaustüberlebende der ICEJ in Haifa ist Heimat für über 50 Holocaustüberlebende. In den letzten Monaten mussten wir von drei langjährigen Bewohnern Abschied nehmen. Sie verstarben im gesegneten Alter von fast 101, 96 und 94 Jahren. Wir sind dankbar, dass wir sie bis zu ihren letzten Tagen kennen und betreuen durften. In Israel leben noch etwa 130.000 Holocaustüberlebende, von denen weiterhin viele dringend einen Ort wie unsere liebevolle Gemeinschaft im Haifa-Heim brauchen.

MOTIVIERTES TEAM Um den Bewohnern zu helfen, mit der Kriegssituation fertig zu werden, hat das ICEJ-Team mehrere therapeutische Programme ein- geführt. Nancy, unsere Kunsttherapeutin, leitet Kunstsitzungen, in denen die Senioren ihre Gefühle ausdrücken und der harten Realität entfliehen können. Der Kunstraum dient auch als behelfsmäßiger Luftschutzbunker mit Matratzen vor den Fenstern, für den Fall eines Luftangriffs.

Auch Physiotherapie wird angeboten und gerne angenommen. Inzwischen hat unsere Physiotherapeutin Simcha einen „Fitnessgarten“ angelegt, um die Mobi- lität der Bewohner weiter zu verbessern.

HEBRÄISCH-KURSE 16 Holocaustüberlebende sind in den letzten Jahren aus der Ukraine gekommen. Um ihre jüdischen Wurzeln und ihre Liebe zu Israel zu stärken, bieten wir den Senioren Unterricht in Hebräisch und israelischer Kultur an. Das Erlernen einer neuen Sprache in fortgeschrittenem Alter ist sehr schwer, aber unsere Hebräischlehrerin Maria aus unserem christlichen Freiwilligenteam nimmt die Herausforderung an. Kürzlich hat eine Fünferklasse ihre erste Sprachkompetenz-Stufe – Kita Alef – erfolgreich abgeschlossen, und das mussten wir feiern!

Die Schüler waren ein wenig nervös, schlossen aber alle gut ab. Sie erhielten ein Abschlusszertifikat mit einer Rose, während wir Maria einen „Award of Excellence“ für ihre erstaunliche Arbeit überreichten. „Mein größter Wunsch ist es, dass meine Kursteilnehmer das Land lieben“, erklärt Maria ihre Motivation. „Ich möchte, dass sich unsere Senioren in Israel zu Hause fühlen.“

BRAUT-PARTY Viele unserer Bewohner verbringen lieber Zeit miteinander, als vor dem Fernseher zu sitzen. Deshalb nutzen wir jede Gelegenheit für gemeinsame Aktivitäten. Christine, unsere Krankenschwester aus Deutschland, organisiert jede Woche Bingo und Schach für die Bewohner. Christine hat gerade geheiratet und wir beschlossen, für sie eine Braut-Party mit den Bewohnerinnen zu organisieren. Es gelang uns, sie während des Bingospiels völlig zu überraschen.

Neben dem Hochzeits-Bingo haben wir die Überlebenden gebeten, Christine ihre wichtigsten Ratschläge für die Ehe mitzugeben. Alle Damen waren bereits seit vielen Jahren verheiratet und hatten daher eine Menge Weisheiten parat. Die Party war noch Tage später Gesprächsthema Nummer eins!

„WELLNESS-CENTER“ Kürzlich haben wir beschlossen, eines unserer Zimmer in ein Wellness-Center umzuwandeln, mit einer Friseurstation, einer Station für Maniküre und Pediküre, einer Massageliege und einem Massagestuhl sowie einer Krankenpflegestation. Es wird ein großartiger Ort für die Pflege von Körper und Seele unserer älteren Bewohner werden.

Israeltreue Christen weltweit spielen eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung all dieser Aktivitäten im Haifa-Heim für Holocaustüberlebende. Ihre Spenden tragen dazu bei, dass die Überlebenden in Würde und Sicherheit leben können – selbst mitten im Krieg – und dass ihnen wichtige Hilfe zuteilwird, von der medi- zinischen Versorgung bis zur emotionalen Unterstützung.

2024 war für unsere Bewohner und für ganz Israel ein schweres Jahr. Aber wir blicken mit Freude auf 2025. Unser Haifa-Team will mit Gottes Hilfe und Liebe weiterhin unseren Heimbewohnern dienen und sie beim letzten Abschnitt ihres Lebenswegs begleiten.